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Wohngebiete brauchen mehr als bloß Tempo 30

Dieser Artikel wurde verfasst von Rachel Aldred, Dozentin für Verkehr an der Universität Westminster, und erschien ursprünglich auf der Website der britischen Zeitung „The Guardian“ im März 2016. Rachel Aldred ist auf nachhaltige Beförderungsarten spezialisiert und arbeitet auch ehrenamtlich mit der London Cycling Campaign.

Redaktionelle Mitarbeit: Daniel Pöhler und Katja Leyendecker

Langsamer Autoverkehr, wo Menschen leben, ist ein Anfang. Aber damit wirklich mehr Menschen aufs Fahrrad steigen, brauchen wir weniger Autoverkehr – und das bedeutet, Schleichwege zu beseitigen.

Eine Tempo-30-Straße in London, mit lange Autostau. Kein platz für Radfahren.

Tempo-30-Straße in London, aber trotzdem kein angenehmes Wohngebiet, weil zu viele Autos durchfahren. (Foto: Dan Kelly)

Tempo 30 in Wohngebieten ist weit verbreitet, und es ist beliebt: Aktuelle Forschung aus dem DfT (Britisches Ministerium für Verkehr) hat gezeigt, dass 73% der Menschen Tempo-30-Zonen befürworten (entspricht 20 Meilen pro Stunde). Kampagnen für sichere Straßen haben sich gelohnt, die Unterstützung wächst immer weiter.

Niedrigere Geschwindigkeiten sind nötig, um Verletzungen zu reduzieren. Aber selbst wenn Tempo 30 ordnungsgemäß durchgesetzt würde – was fraglich ist – würde dies ausreichen? Schaffen allein Tempo-30-Zonen ruhige und lebenswerte Nachbarschaften, wo viele Menschen sich dann entscheiden, zu Fuß zu gehen oder mit dem Fahrrad zu fahren? Wünschen wir uns weiterhin einen stetigen Strom von Autos in Wohnstraßen (auch wenn sie dann nur mit 30 km/h fahren), oder sollten unsere Ziele ambitionierter sein?

Im aktuellen Leitfaden der britischen Regierung und der RoSPA (Königliche Gesellschaft für Unfallverhütung) heißt es: „Es gibt ein Sicherheitsargument für die Verringerung des [Auto-] Verkehrsaufkommens, und die Möglichkeit besteht auch, dies zu umzusetzen.“ Ein langsames, großes Fahrzeug wie ein Lastwagen oder Bus kann immer noch töten, einfach wegen seiner schieren Masse.

Und es sind nicht nur große Fahrzeuge, die ein Problem darstellen. Wie die RoSPA darauf hinweist, schafft jede Autofahrt ein zusätzliches Risiko für andere, auch wenn niedrigere Geschwindigkeiten dieses Risiko reduzieren.

Mehr Autos auf Wohnstraßen bedeutet auch, dass diese Orte weniger auf den Menschen ausgerichtet sind, vor allem weniger auf Alte und Junge, die mehr Schwierigkeiten mit viel befahrenen Straßen haben und seltener ein Auto besitzen.

Eine kürzlich erschienene Studie ergab, dass die Dominanz der Autos auf Wohnstraßen die Lebensqualität junger Menschen in städtischen und ländlichen Gebieten erheblich beeinträchtigt.

Meine Kollegen am Policy Studies Institute haben den anwährenden Rückgang der unabhängigen Mobilität von Kindern untersucht, unter anderem auch das Radfahren. Sie haben festgestellt, dass Verbesserungen der Verkehrssicherheit und die Verringerung der Autoabhängigkeit notwendig sind, um die Freiheit für Kinder zurückzugewinnen.

Meine eigene Forschung stellt fest, dass viele Eltern ihren Kindern schon beim Fahrradfahren vertrauen – aber die Eltern vertrauen den Autofahrern nicht, sich vorsichtig zu verhalten. Dies wird durch Erfahrung gestützt. Oft haben Eltern beängstigende Vorfälle erlebt, selbst auf vermeintlich ruhigen Nebenstrecken – die sich als Schleichwege, also Abkürzung, der Autofahrer herausstellten.

Ein Elternteil berichtet:

„Ich musste mein Kind zwischen geparkten Autos vom Rad stoßen, um zu vermeiden, dass wir von einem Autofahrer überfahren werden, der bei hoher Geschwindigkeit aus der entgegengesetzten Richtung kam.“

In zunehmendem Maße zeigt die Erforschung solcher Beinahe-Vorfälle, dass sie einen erheblichen Einfluss auf die Verkehrsentscheidungen der Menschen haben können.

Diese Fast-Unfälle sind laut einer aktuellen Studie häufig: In 1% bis 2% aller Überholvorgänge haben Autofahrer dem Radfahrer weniger als 50 cm Abstand eingeräumt. Das bedeutet, in Wohnstraßen, die von Tausenden Fahrzeugen jeden Tag benutzt werden, erleben Radfahrer viel zu enge (und erschreckende) Überholmanöver etwa einmal pro Woche. Kein Wunder, dass Eltern ihre Kinder nicht Fahrrad fahren oder alleine über die Straße gehen lassen, in solch einem Umfeld.

Wenn es keine Schleichwege gäbe, würden viele Wohnstraßen extrem ruhig werden. Zahlen des DfT ermöglichen uns abzuschätzen, wie groß der Autoverkehr auf Wohnstraßen wäre, wenn die Straßen nicht zur Abkürzung geeignet wären: Einschließlich Lieferungen, Anwohner und Besucher würden dort nur ein paar hundert Autos am Tag fahren, oder sogar weniger. Solche Straßen könnten Umgebungen sein, wo das Auto wirklich zu Gast ist und Kinder wieder frei herumlaufen und Rad fahren können.

Vorschläge, Schleichwege einzuschränken durch den Einbau von Sperren, die den Durchgangsverkehr verhindern, können allerdings umstritten sein.

Straße in den Niederlanden, Radfahrer fahren auf einem Fahrbahn, aber es gibt ein Einschränkung, und nur Radfahrer durchfahren dürfen.

Eine ehemalige Durchgangsstraße in Assen, Niederlande. Heute ist die Straße eine Durchgangsroute nur für den Radverkehr, deshalb gibt es wenig Autoverkehr. (Foto: David Hembrow)

Ein Grund dafür ist, dass wir uns daran gewöhnt haben, überall mit dem Auto fahren zu können, wo wir möchten – auch wenn es bedeutet, dass unsere Kinder nicht mehr allein das Haus verlassen dürfen. Es gibt auch Sorgen, dass das Problem nur verschoben wird und vielleicht woanders Sicherheitsprobleme verursacht.

Neue Analysen von Verkehrsunfällen können helfen, einige dieser Ängste zu nehmen. Die Daten zeigen, dass Verletzungen von Fußgängern reduziert werden, wenn der Autoverkehr auf Hauptstraßen geführt wird statt auf Nebenstraßen. Wenn sich ein Auto innerorts auf einer Nebenstraße bewegt, steigt das Risiko für Fußgänger um rund 50% im Vergleich zu einer Hauptstraße.

Im Jahr 2014 verletzten Kraftfahrzeuge in Großbritannien 7.179 Fußgänger auf städtischen Hauptstraßen und 14.168 Fußgänger auf kleineren Stadtstraßen. Die zurückgelegte Strecke auf den beiden Straßentypen betrug 49,3 Mrd. und 64,8 Mrd. Fahrzeugmeilen.

Also, Schleichwege zu verhindern kann Verletzungen von Fußgängern reduzieren. Wenn Autofahrer die Hauptstraßen nutzen müssen, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass längere Strecken gefahren werden. Denn Schleichwege werden genutzt, um Staus zu umgehen, und nicht, um die Wegstrecke zu verkürzen. Oft reduzieren Schleichwegfahrten nicht mal die Reisezeit.

Was ist mit der Luftverschmutzung? Dr. Audrey de Nazelle, Experte für Luftqualität und aktive Fortbewegung, sagt:

„Wenn Nutzer von aktiven Fortbewegungsarten ein Straßennetz zur Verfügung haben, das vom Autoverkehr befreit ist, verringert das die gesundheitliche Belastung durch Luftverschmutzung. Das ist wichtig, denn die Inhalationsrate der Nutzer aktiver Fortbewegung ist höher ist als bei Nutzern von passiven Verkehrsmitteln.

Wenn das Autoverkehrsaufkommen in Wohngebieten verringert wird, steigt die Luftqualität auf diesen Straßen. Steigt der Autoverkehr und damit die Luftverschmutzung auf den umliegenden Hauptstraßen? Wahrscheinlich ein wenig – aber wenn wir uns anstrengen und den Autoverkehr auf vielen Wohnstraßen reduzieren, wird es insgesamt weniger Autoverkehr geben, was die Luftqualität insgesamt verbessert.“

Erfreulicherweise hat die Forschung festgestellt, dass das gesamte Autoverkehrsaufkommen in der Umgebung sich reduziert, wenn der Raum für den Autoverkehr verringert wird. Der Grund ist wahrscheinlich, dass die Menschen kürzere Wege eher zu Fuß gehen oder mit dem Rad zurücklegen, sofern die Straßen eine angenehme Umgebung darstellen.

Auch auf den Hauptstraßen sollten wir uns anstrengen, die Sicherheit und die Lebensqualität zu verbessern: Breitere Gehwege, mehr Fußgängerüberwege, Radwege, das Anpflanzen von Bäumen, Tempo 30, Luftqualitätszonen und politische Maßnahmen, die die Benutzung von Dieselmotoren reduzieren. Viele dieser Vorhaben werden beliebt sein: Es gibt zum Beispiel eine große öffentliche Unterstützung für Radwege an Hauptstraßen. Diese Maßnahmen sollten auch beinhalten, die Wohnstraßen den Anwohnern zurückzugeben, so dass sie die freie Wahl haben, zu radeln und zu Fuß zu gehen.

Eine ruhige Straße in London, GB. Autoen sind geparkt an beide Seiten der Straße. Vier Poller verhindern durchfahren per Auto.

Ein ehemaliger Schleichweg in London, preisgünstig umgewandelt. (Foto: CEoGB)

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Das Gleichgewicht des Verkehrs

Redaktionelle Mitarbeit: Daniel Pöhler

Berlins Verkehrssenator, Andreas Geisel, sagt kürzlich: „Was es nicht geben darf, ist die Bevorzugung einer Verkehrsart auf Kosten einer anderen.“ Das ist lächerlich, denn jeder weiß, das Auto ist der König der Straßen nach Meinung der Berliner Verkehrsverwaltung.

Ich habe solche Dinge schon vorher gehört. Als ich in London wohnte, schrieb ich über Edward Argar, das Gegenstück von Geisel im Stadtbezirk Westminster, der gesagt hat: „Wir müssen den Verkehr im Gleichgewicht halten,“ als wenn eine Art von „Verkehrs-Gleichgewicht“ bereits vorhanden wäre, statt der existierenden Vorherrschaft der Kraftfahrzeuge, die seit vielen Jahren geplant und entwickelt wurde. Für mich klang das, als ob er versucht, sich unparteiisch zu geben, während er tatsächlich in Autos verliebt ist.

Eine Waage, mit Autofahren an der linken Seite, und an der rechten Seite ist Menschen mit Behinderungen, Radfahren, und Gehen. Das Auto trägt eine Krone, und überwiegt die andere Seite, die rissig und gebrochen ist. In der Mitte die Waage ist ein Foto von Andreas Geisel.

„Das Gleichgewicht des Verkehrs“, wie es in Verkehrsministerien auf der ganzen Welt gesehen wird.

Der Glaube, dass das derzeitige System normal und natürlich ist, und dass jede Änderung eine ungerechte Abweichung ist, die das grundlegende Menschenrecht, absolut überall fahren und parken zu dürfen, einschränkt – das ist einer der großen Stolpersteine, mit denen Engagierte für bessere Straßen häufig konfrontiert sind.

Es ist eindeutig Unsinn. Das aktuelle Verkehrssystem wurde von Menschen geschaffen, die im Bann der Autos standen, und ihr Ziel war es, das Autofahren zu fördern. Die heutigen Straßen marginalisieren absichtlich jeden, der kein motorisiertes Fortbewegungsmittel verwendet. Es ist absurd zu behaupten, die Straßen hätten ein echtes Gleichgewicht der Verkehrsmittel, und ich vermute, Senator Geisel weiß das.

Der einzige Weg, das Radfahren hier weiter zu behindern, in einer Stadt, wo die Geschwindigkeit und die niedrigen Kosten dieses Verkehrsmittels einen enormen Vorteil darstellen, ist die Berliner Straßengestaltung und die allgemeine Verkehrspolitik gegen den Radverkehr.

Ich habe es schon gesagt, aber nochmal:

Radfahren sollte ein wichtiger Bestandteil der Verkehrspolitik sein

Radfahren löst oder mindert so viele Probleme in den Städten, dass es würdig ist, priorisiert zu werden (nicht nur notdürftig versorgt), damit es seine Stärken ausspielen kann als bequemste und offensichtliche Wahl in der Stadt. Es muss als eine eigene Verkehrsart behandelt werden – eine, die wichtig genug ist, ihren eigenen Platz im Straßenraum zu haben – weder auf den Bürgersteig gequetscht, noch unter Kraftfahrzeuge gemischt.

Das Fahrrad ist ein wunderbares Verkehrsmittel, besonders in den Städten. Es ist sauber und schnell, es fährt direkt vom Start bis zum Ziel. Man braucht nur wenige Sekunden, um loszufahren oder zu parken. Es ist egalitär, geeignet für alle Menschen, ob reich oder arm, egal welches Alter und welche körperlichen Fähigkeiten, es ist sicher für die Nutzer und im Vergleich zu Kraftfahrzeugen extrem sicher für Dritte. Radfahren hat von Natur aus positive Eigenschaften, die sowohl durch schlechte Radwege als auch durch Mischverkehr mit Kraftfahrzeugen ausgehebelt werden.

Die Verantwortlichen im Senat und in den Bezirken sollten dem Fahrrad eine hohe Priorität einräumen, es als ein wichtiges, echtes und eigenständiges Verkehrsmittel behandeln, das priorisierungswürdig gegenüber Autos ist. Mehr Radverkehr ist ein Gewinn für alle (mit Ausnahme der Ölgesellschaften).

Selbst Menschen, die niemals Rad fahren, profitieren von mehr Fahrradverkehr, weil er Staus vermindert, zu sauberer Luft beiträgt, die Zahl der Unfälle reduziert und öffentliche Verkehrsmittel entlastet. Umgekehrt schädigt mehr Kraftfahrzeugnutzung uns alle – größere Umweltverschmutzung, längere Staus, mehr Unfälle, schwerere Verletzungen bis hin zu Todesfällen.

Die einzige bewährte Methode, die das Radfahren wirklich fördert, ist es, Fahrradfahrern eigenen Raum zu geben. Das bedeutet echte, bauliche Radwege an Hauptverkehrsstraßen – nennen wir sie meinetwegen Radfahrbahnen, wenn ihr wollt. Nebenstraßen sollten gefiltert werden (zum Beispiel mit Pollern und/oder Einbahnregelungen), um zu verhindern, dass Kraftfahrer sie als Abkürzung nutzen. Das ist gut für Anwohner, Fußgänger und Fahrradfahrer. Dafür erforderlich ist Netzwerkplanung, nicht unzusammenhängende Bruchstücke.

Die Behörden müssen den Radverkehr endlich mit der Priorität, die er klar verdient hat, behandeln.

Eine Bildmontage, die normale Radfahren in die Niederlanden zeigen. Kinder, familien, Geschäftsleute, ältere Menschen – alle einem Fahrrad verwenden als eine normale, alltägliche Verkehrsmittel.

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Die Benutzungspflicht ist irrelevant

This article was also published in English, here.

Dieser Artikel wurde auch auf Englisch veröffentlicht, hier.

Redaktionelle Mitarbeit: Daniel Pöhler

Die sogenannte Radwegebenutzungspflicht ist nicht der Grund, der die Menschen in Deutschland vom Radfahren abhält. Die schlechte Fahrrad-Infrastruktur ist die Ursache für Deutschlands drittklassigen Radverkehrsanteil.

Zunächst will ich sagen, dass ich verstehe, warum viele von euch die Benutzungspflicht hassen, und dass viele auch gegen den Begriff „Radweg“ sind. Die meisten Radwege in meiner Stadt Berlin sind schrecklich – schmale, holprige Pisten am Rand des Bürgersteigs. Das sind keine Radwege, das ist eine Beleidigung. Und es ist unangemessen, die Menschen dazu zu zwingen, solche schlechte Infrastruktur zu benutzen.

Aber die oft vorgeschlagene Lösung für diese Probleme – ein Ende der Radwege und stattdessen das Recht, dass alle auf der Fahrbahn radeln – ist überhaupt keine Lösung. Es tauscht lediglich Probleme gegen eine Reihe von anderen Problemen aus.

Selbst gegenüber schnellen Radfahrern, die sich sicher auf der Fahrbahn bewegen, werden nicht plötzlich alle Autofahrer rücksichtsvoll und höflich sein. Genauso wie so viele andere Vorschriften von allen möglichen Verkehrsteilnehmern ignoriert werden. Die Entfernung der runden blauen Schilder wird leider nicht die Einstellung gegenüber Radfahrern auf der Straße ändern. Es ist kein Schritt in Richtung eines sicheren Radverkehrs für alle.

Die Aufhebung der Benutzungspflicht bringt nur sehr wenigen Leuten etwas. Es gibt viele Menschen, für die das Radfahren unter Kraftfahrzeugen einfach nicht funktionieren kann: Kinder, Senioren, Menschen mit Behinderung. Sie alle haben aber auch das Recht, schnell und effizient im Verkehr voranzukommen. Radfahren auf der Fahrbahn ist eindeutig keine Massentransportlösung.

Danziger Strasse, breite, schnelle, verkehrsreiche Straße. Mit Gehwegradler

Die Aufhebung der Benutzungspflicht wird diese verkehrsreiche Straße nicht in ein angenehmes oder sicheres Umfeld zum Radfahren verwandeln.

Könnte die Benutzungspflicht sogar eine gute Sache sein?

Die beiden erfolgreichsten Fahrradnationen der Welt haben eine Benutzungspflicht. Ja, das ist richtig: Für unsere Nachbarn in den Niederlanden und in Dänemark ist die Verwendung der meisten Radwege obligatorisch.

Und niemand in diesen Ländern würde das hinterfragen. Warum sollte man auf der Straße radeln wollen, unter bedrohlich wirkenden, umweltverschmutzenden Autos und Lieferwagen, wenn man stattdessen ebene, breite Radwege nutzen darf? (Der entscheidende Punkt hier ist, dass sie von guter Qualität sind.)

Umgekehrt hat mein Heimatland Großbritannien überhaupt keine Benutzungspflicht. Hatte es nie.

Es ist der Traum vieler deutscher Radaktivisten: In Großbritannien hat man als Radfahrer das Recht, die ganze Straße zu benutzen, genauso wie der Fahrer eines Autos das Recht dazu hat. Sicherlich muss Großbritannien ein wahres Fahrradparadies sein! Bestimmt sind Autos zahlenmäßig unterlegen, es muss noch mehr Fahrräder als in niederländischen Städten geben!

Nun, die Antwort ist nein, nicht einmal annähernd.

Fahrradfahren in Großbritannien ist fast ausnahmslos schrecklich. Es gilt als stressig und gefährlich, etwas, das nur wenige fitte, gesunde und leicht exzentrische Menschen tun. Das Konzept des Radfahrens wurde zu einem Extremsport reduziert, über den man in der Regel etwas höhnisch spricht. Es ist schwer zu beschreiben, wie niedrig der Status des Fahrrads als Verkehrsmittel in Großbritannien ist. Radfahren im Alltag existiert fast nicht in den meisten Regionen des Landes.

Einen Balkendiagramm, dass vergleicht die Verkehrsanzahl für Radfahren, und wie gefährlich ist Radfahren, in die Niederlande, Dänemark, Deutschland und Großbritannien. Die Niederlande ist sicherste und der größter Fahrradanteil. Großbritannien ist ganz anders, wenig Radfahren, sehr gefährlich. Nur Großbritannien hat kein Radwegbenutzungspflicht.

Die Niederlande sind ganz klar das Erfolgsmodell, nicht Großbritannien. Warum sollten wir also kopieren, was Großbritannien getan hat?

Die obige Grafik basiert auf einem Diagramm, das noch mehr Länder zeigt, aber ich habe es vereinfacht, um nur die Länder, über die ich schreibe, darzustellen.

Die Benutzungspflicht korreliert deutlich mit einem höheren Anteil an Radfahrern und weniger Todesfällen. Natürlich spielen auch andere Faktoren dafür eine Rolle. Aber es könnte tatsächlich sein, dass eine Benutzungspflicht den Radverkehrsanteil erhöht und das Radfahren sicherer macht. (Das ist jedoch nicht meine Behauptung.) Gewiss aber schadet sie dem Radfahren nicht.

Man kann also sagen, dass die Benutzungspflicht im schlimmsten Fall irrelevant ist für mehr Radverkehr und eine höhere Sicherheit. Die beiden führenden Länder haben eine gute Fahrradinfrastruktur und eine Benutzungspflicht – die keinerlei Probleme macht. Man müsste lange suchen, um einen niederländischen oder dänischen Radaktivisten zu finden, der Radfahren auf der Fahrbahn fordert. (Sie fordern allerdings die weitere Verbesserung der Radwege.)

Das Vereinigte Königreich hat hingegen sehr wenig echte Fahrradinfrastruktur, die erwähnenswert ist. Allgegenwärtig sind nur Radspuren, die auf die Straßen gemalt wurden. Das Recht, auf der Fahrbahn zu radeln, hat den britischen Radfahrern nichts gebracht. Im Gegenteil, wenn Mischverkehr mit Autos und Lkw das Entwicklungsziel ist, können Verkehrsingenieure den Radverkehr völlig ignorieren. Er wird obsolet, eine historische Fußnote.

Eine verkehrsreiche Straße in London, wo jeder Radfahren kann – aber wenige das tun.

Ja, jede Person – vom Kind bis zum Senior – hat das Recht, hier zu radeln. Komisch, dass so wenige das Recht ausüben.

Und das ist genau das, was in Deutschland passieren würde, wenn die entsprechenden Fahrradaktivisten ihren Wunsch nach Radfahren auf der Fahrbahn erfüllt bekommen. Die meisten Menschen – nicht Radaktivisten, nur Leute, die einfach ihr Fahrrad als normales Verkehrsmittel verwenden – wollen nicht im Autoverkehr mitfahren. (Die meisten ziehen sogar Radwege von miesester Qualität vor, um nicht unter Kraftfahrzeugen radeln zu müssen.)

Radfahren unter Kraftfahrzeugen ist nie wirklich angenehm, sicher und bequem. Wenn das die einzige Möglichkeit ist, dann werden die Menschen mit den Füßen abstimmen und aufs Fahrradfahren verzichten, wie es in Großbritannien passiert ist.

Die Öl- und Automobilindustrie muss sich vergnügt die Hände reiben, wenn sie sehen, dass so viele Radaktivisten genau das fordern, was das Radfahren töten würde.

Radfahren ist viel zu gut für die Fahrbahn

Das Fahrrad ist ein wunderbares Verkehrsmittel, besonders in den Städten. Es ist sauber und schnell, es fährt direkt vom Start bis zum Ziel. Man braucht nur wenige Sekunden, um loszufahren oder zu parken. Es ist egalitär, geeignet für alle Menschen jeden Alters und mit allen Fähigkeitsgraden, es ist verhältnismäßig sicher für die Nutzer und im Vergleich zu Kraftfahrzeugen extrem sicher für Dritte.

Das Fahrrad ist ein viel zu gutes Transportmittel, um es unter Kraftfahrzeuge zu mischen. Autos verschmutzen die Umgebung und sind gefährlich, ihre Staus halten alle auf, sie brauchen ewig zum Manövrieren und Parken. Wie sollte das Radfahren besser werden, wenn man es damit vermischt? Es hat von Natur aus positive Eigenschaften, die sowohl durch schlechte Radwege als auch durch Mischverkehr mit Kraftfahrzeugen ausgehebelt werden.

Autoverkehrsstau in London. Ein Bus und vielen Autos, kein Raum für Radfahren, man muss nur warten und Abgas einatmen.

Radfahren verdient etwas Besseres, als mit dem Kraftverkehr vermischt zu werden. Staus sind ein angeborenes Problem des Autos und würden Radfahrer nur ausbremsen.

Radfahren löst oder mindert so viele Probleme in den Städten, dass es würdig ist, priorisiert zu werden, damit es seine Stärken ausspielen kann als bequemste und offensichtliche Wahl für Kurz- und Mittelstrecken in der Stadt. Es muss als eine eigene Verkehrsart behandelt werden. Eine, die wichtig genug ist, ihren eigenen Platz im Straßenraum zu haben – weder auf den Bürgersteig gequetscht, noch unter Kraftfahrzeuge gemischt.

Mehr Radverkehr ist ein Gewinn für alle (mit Ausnahme der Ölgesellschaften). Die Verantwortlichen in den Gemeinden sollten dem Fahrrad eine hohe Priorität einräumen. Selbst Menschen, die nie Rad fahren, profitieren von mehr Fahrradverkehr, weil er Staus vermindert, zu sauberer Luft beiträgt, die Zahl der Unfälle reduziert und öffentliche Verkehrsmittel entlastet. Umgekehrt schädigt mehr Kraftfahrzeugnutzung uns alle – größere Umweltverschmutzung, längere Staus, mehr Unfälle, schwerere Verletzungen bis hin zu Todesfällen.

Die einzige bewährte Methode, die wirklich das Radfahren fördert, ist es, eigenen Raum für Fahrradfahrer zu verlangen. Das bedeutet echte, bauliche Radwege an Hauptverkehrsstraßen – nennen wir sie meinetwegen Radfahrbahnen, wenn ihr wollt. Nebenstraßen sollten gefiltert werden (zum Beispiel mit Pollern und/oder Einbahnregelungen), um zu verhindern, dass Kraftfahrer sie als schnelle Abkürzung nutzen. Das ist gut für Anwohner, Fußgänger und Fahrradfahrer. Dafür erforderlich ist Netzwerkplanung, nicht unzusammenhängende Bruchstücke.

Viele Leuten, die Fahrräder nutzen, in beide Richtungen.

Wer den Radverkehr fördern will, muss ihn als ein wichtiges, echtes und eigenständiges Verkehrsmittel behandeln. Man darf Radfahren nicht bloß als schnelles Gehen oder langsames Autofahren behandeln.

Radfahren sollte ein wichtiger Bestandteil der Verkehrspolitik sein. Lediglich darum zu bitten, dass es wie Autofahren behandelt wird – auf die Fahrbahn geschleudert unter gefährliche Maschinen – würde nur zu weniger Radverkehr führen, wie das Beispiel Großbritannien so deutlich gezeigt hat.

Wir sollten die besten Länder als Vorbild nehmen. Schauen wir in die Niederlande für die gelungensten Lösungen (und bewahren wir einen kritischen Blick für die weniger gelungenen). Und verlangen wir, dass die Lösungen mit der Priorität behandelt werden, die der Radverkehr verdient hat.

Wenn Fahrradbefürworter nicht das Beste fordern, wer sonst?

Sechs Fotos von niederländischen Radler, von junger Kinder bis ältere Menschen, alle fahren angenehm mit dem Rad, in sicherheit.

Sofern die Bedingungen für den Radverkehr gut sind, steht weiten Teilen der Bevölkerung ein schnelles, gesundes und preiswertes Verkehrsmittel zur Verfügung.

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„Unsere Straßen sind zu schmal für Fahrradwege!“

Dieser Artikel wurde von David Hembrow verfasst und erschien ursprünglich in seinem englischsprachigen Blog „A View from the Cycle Path“ im Oktober 2014.

Übersetzung: Autofreies Kreuzberg

Ich kann schon nicht mehr zählen, wie oft mir Menschen erzählen wollen, dass die Straßen ihrer Stadt zu schmal für Fahrradwege wären. Die drei Wörter „nicht genug Platz“ werden wiederholt, als wären sie ein Mantra (siehe auch Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung in Berlin in der taz.)

Viele glauben ernsthaft, dass niederländische Städte mit breiteren Straßen gebaut wurden und dass deswegen hier mehr Platz wäre als in anderen Ländern. Das stimmt natürlich überhaupt nicht. Wenn man sich ältere Städte wie Assen (über 750 Jahre alt) anschaut, findet man viele schmale Wege, wie auch in jeder anderen Stadt in anderen Ländern. Neue, breitere Straßen in den Niederlanden sind oft ähnlich breit wie neue, breite Straßen woanders. Es ist die Nutzung des zur Verfügung stehenden Raums, die sich unterscheidet, nicht die Breite der Straßen an sich.

Eine ruhige, enge Innenstadt Straße in Assen, den Niederlanden. Keine Kraftfahrzeugen hier, nur Leuten, dass zu Füß gehen oder mit dem Rad fahren.

Im Foto oben sieht man eine der Straßen in Assen (2014). Ganz eindeutig gibt es „nicht genug Platz“ für Autos. Wenn man Straßen wie diese sieht, denkt man schnell, dass hier noch nie viel Platz war und die Straße deswegen schon immer so aussah.

Eine Foto aus 1957, die gleiche Straße als oben. Zwei Spuren von Kraftfahrzeugen fahren durch die Straße, nur ein enge Gehweg an der rechts, nichts an der links.

Das stimmt aber nicht. Ein Rückblick ins Jahr 1957 zeigt, dass die gleiche Straße komplett anders aussah. Hier war eine asphaltierte, stark befahrene Durchfahrtsstraße mit Fahrzeugverkehr in beiden Richtungen. Die Lücke zwischen den beiden Gebäuden sieht schmal aus, aber sie ist tatsächlich breit genug für so viel Verkehr – solange man sich nicht daran stört, dass Fußgänger nur an wenigen Stellen kreuzen können und nur auf einer Seite sicher gehen können.

Auffallend ist auch, dass es keinen Platz für sicheres Radfahren gab. Fahrradfahrer mussten zusammen mit Lastwagen, Bussen und Autos die Straße benutzen. Inzwischen fährt auf dieser Route auch kein Bus mehr.

Eine Stadtzentrum Straße in Assen, den Niederlanden, in die 1970er. Viele Kraftfahrzeugen, durchgefahren und geparkt sind. Kraftfahrzeugen dominieren die Straße.

Stadtzentrum von Assen, 1970. Auch kein Platz für Fahrradwege. Ampeln waren zur Verkehrsregelung nötig. Fahrradfahrer mussten sich unter die Autos mischen und Fußgänger hatten wenig Platz.

Ich kann mir vorstellen, dass das vielen Lesern in anderen Ländern bekannt vorkommen wird – ähnlich wie den niederländischen Radfahrern in den 50er Jahren.

Gedemptesingel, eine Stadtzentrum Straße in Assen, den Niederlanden, in 2014. Keine Kraftfahrzeugen oder Ampeln. Heute, eine ruhige Straße nur für Radfahren, Shoppen, und Anlieger.

Der gleiche Ort, 2014. Wir brauchen keine Ampeln mehr, weil hier keine Autos mehr fahren. Auffallend ist, wie Radfahrer viel Platz auf einer separaten „Straße“ haben, neben einem einem breiten Fußgängerweg. Der Fußweg hat genug Platz auf beiden Seiten für einen speziellen Belag für Blinde.

Ein Beobachter in den 50er Jahren in den Niederlanden hätte wahrscheinlich gesagt, dass die Straße „nicht genug Platz“ für eine Fahrradspur hätte – also genau das Gleiche, was Menschen heute über ihre Straßen sagen. Und sie hätten natürlich Recht, wenn man davon ausgeht, dass sie immer die gleiche Zusammensetzung des Verkehrs zu tragen hätte wie die Straßen in Assen 1950.

Ein Foto von Assen in der 1960er Jahren. Fußgänger sind an den Rand gedrängt, während ein einsamer Radfahrer neben den Autos an der Ampel wartet.

1960er. Fußgänger werden an den Rand gedrängt, während ein einsamer Radfahrer neben den Autos an der Ampel wartet.

Also wo kam der Platz für Menschen, Fußgänger wie Radfahrer, her? Er kam von direkt unterhalb der Autos. Eine zweite Revolution auf den niederländischen Straßen war nötig, um die Dinge zu ändern. Eine Entscheidung wurde getroffen, um echte Veränderung zu erreichen. Nicht nur auf ein paar Straßen, sondern in vielen Städten und sogar im ganzen Land. Der Verkehr wurde umgeleitet, so dass Wohngebiete und Stadtzentren wieder von Menschen genutzt werden konnten.

Assen, Heute. Fußgängerweg mit gutem Fahrradzugang

Jetzt: Fußgängerweg mit gutem Fahrradzugang.

Während die Straßen von Autos dominiert wurden, ging der Fahrradverkehr in den Niederlanden stark zurück – kaum überraschend. Die Transformation der Städte drehte diese Entwicklung um. Wenn man auf diese Fotos schaut, drängt sich der Vergleich auf: wie sicher und angenehm war es damals durch Assen Fahrrad zu fahren und wie sicher und angenehm ist es jetzt?

Brinkstraat in Assen in den 1960er: Hauptverkehrsstraße für Autos und Fahrräder, zusammengemischt.

1960er: Hauptverkehrsstraße für Autos und Fahrräder.

Brinkstraat in Assen Heute: Hauptverkehrsstraße nur für Fahrräder. Keine Autos statt Anlieger.

Jetzt: Immer noch zugänglich für Autos, aber kein Hauptverkehrsweg mehr. Für Autos nicht mehr als Durchgangsstraße nutzbar, daher wird hier weniger gefahren. Immer noch viele Fahrräder, die aber keine Ampeln benötigen.

Straßenszene der 1940er: Große Kreuzung, hier noch voller als üblich wegen einer Veranstaltung. Der Verkehr staut sich.

1940er: Große Kreuzung, hier noch voller als üblich wegen einer Veranstaltung. Der Verkehr staut sich.

Assen, NL. Ein angenehmer Aufenthaltsort zum Sitzen und Flanieren. Fahrräder können frei fahren.

Jetzt: ein angenehmer Aufenthaltsort zum Sitzen und Flanieren. Fahrräder können frei fahren und es ist keine Bus-Strecke mehr.

Koopmansplein in Assen, NL, 1974. Ein Stadtplatz, ganz voll mit Autos.

1974: Das Stadtzentrum von Assen war ein Parkplatz – häufig voll belegt.

Koopmansplein in Assen, NL, 2014. Ein Stadtplatz, ruhige, angenehm, und sicher, für Bürger in jedem Alter.

Jetzt: Das Stadtzentrum von Assen ist ein Platz mit Fahrradparkplätzen und häufigen Veranstaltungen. Es gibt keinen Grund mehr, die Straßen hierher von Autos besetzen zu lassen. Kleine Kinder können alleine Fahrrad fahren, sogar hier im Stadtzentrum.

Viele Menschen glauben, dass niederländische Städte irgendwie mehr Platz hätten als andere. Wie man auf diesen Fotos sieht, ist das nicht so. Eine großflächige Planung hatte in Assen und den ganzen Niederlanden stattdessen jeder Straße einen definierten Zweck gegeben – statt alle Wege irgendwie als Durchgangsstraße für den Autoverkehr nutzbar zu machen. Der motorisierte Verkehr wurde nicht über alle Mobilitätsarten priorisiert, sondern es wurde sorgfältig überlegt, wo Autos fahren sollten und wo nicht. Stark befahrene Straßen gibt es immer noch, aber sorgfältiges Kreuzungsdesign verhindert Konflikte.

Straßen, in denen sich Fußgänger und Radfahren bewegen sollten, wurden so umgebaut, dass keine Autos mehr dort fuhren.

Als Umgehungsstraßen gebaut wurden, wurden die alten Hauptstraßen zu luxuriösen Fahrradrouten umgebaut – fast vollständig kreuzungsfrei, in der Regel durch Tunnel.

Als eine neuer Fahrradweg benötigt wurde, um Radfahrer zügig von einem neuen Wohngebiet in die Stadt zu bringen, wurde die alte Direktverbindung den Autos entwidmet und sie gezwungen, einen Umweg zu fahren.

Autofahrer werden durch ein spezielles Einbahnstraßensystem von der Innenstadt ferngehalten. Die davor am meisten befahreren Straßen der Innenstadt waren dadurch frei für Fußgänger und Radfahrer. Ein ähnliches Netzwerk von Einbahnstraßen wird in Wohngebieten genutzt.

Läden haben Fahrradparkplätze direkt vor Tür, Autoparkplätze sind notwendigerweise größer und weiter entfernt.

Wohnstraße in Assen, NL. Gestaltet nur für Anlieger, kein durchgang Kraftverkehr.

Wohngebiete wurden ähnlich behandelt, sogar die schmalsten Wege sind Radwege in beide Richtungen.

Zusammen mit einem weiten Netzwerk von qualitativ hochwertigen Fahrradwegen haben diese Änderungen dazu geführt, dass Fahrradfahrer fast zu 100% von Autofahren getrennt fahren. Fahrradrouten sind meistens von Autostraßen entkoppelt, dadurch haben Radfahrer weniger Lärm- und Abgasbelästigung, weniger Gefahr und kürzere Wege. Deswegen ist Fahrradfahren für die gesamte Bevölkerung sehr attraktiv.

Es war natürlich nicht nur Assen, sondern sondern alle niederländischen Städte, die dies taten und sie waren alle erfolgreich. Nichts hält andere Länder davon ab, es genau so zu machen. Es gibt keine bessere Zeit als jetzt, um in anderen Ländern eine ähnliche Veränderung zu beginnen!


Hembrow Fahrradinfrastruktur Studienreisen

Radinfrastruktur Studienreisen

Sehen Sie selbst, die erzielten Ergebnisse, und besuchen Sie diese Orte! David Hembrow, Autor der englischen Originalversion dieses Blogbeitrags, veranstaltet regelmäßige Studienreisen für Politiker, Planer und Aktivisten aus allen Ländern und zeigt ihnen die beste Fahrrad-Infrastruktur der Welt.

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Infrastruktur vs Helme

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Dieser Artikel wurde auch auf Englisch veröffentlicht, hier.

Redaktionelle Mitarbeit: Daniel Pöhler

Das sicherste Land der Welt zum Fahrradfahren sind die Niederlande. Und dort gibt auch das breiteste Spektrum an Radfahrern: von kleinen Kindern (das Durchschnittsalter, ab dem sie alleine fahren, ist 8 Jahre) bis hin zu Senioren (Menschen über 65 erledigen in den Niederlanden 25 Prozent ihrer Fahrten mit dem Fahrrad).

Die Niederlande sind also der sicherste Ort für Radler jeden Alters – obwohl die Helmnutzung dort nur bei 0,5 Prozent liegt (wahrscheinlich sind die wenigen Helmträger hauptsächlich Radsportler). Sicherheit auf dem Fahrrad bedeutet offenbar mehr als Styropor auf dem Kopf. Und dennoch legt sich das Bundesverkehrsministerium so für Fahrradhelme ins Zeug.

Fotos von Dutch Menschen aller Altersgruppen Radfahren auf hochwertigen Infrastruktur.

Jedes Alter und egal, wie körperlich fit – alle fahren ohne Helm. Und doch sind das die sichersten Radfahrer der Welt. (Fotos: ADfT/Mark Treasure)

Helme sind keine Antwort auf Gefahren im Straßenverkehr. In Großbritannien, es ist sehr üblich dass Radler einen Helm tragen, aber Fahrradfahrer leben dort sechsmal gefährlicher als in den Niederlanden (und das, obwohl in Großbritannien fast keine Kinder und Senioren Rad fahren).

Wenn man Radfahren wirklich sicherer machen will, sind mehr Helme keine Lösung. Sie sind vielmehr ein Indikator dafür, dass die Straßen nicht sicher sind. Wenn sich Radfahren gefährlich anfühlt, werden die Leute Helme tragen – und Warnwesten – mit oder ohne Werbung dafür.

Radfahrer in London warten an der Ampel, von Autos umgeben. Die Radfahrer tragen alle Warnwesten und Helme.

Radfahrer in London, wo Helme und Warnwesten die Norm sind. Nicht wegen einer Werbekampagne, sondern, weil sich die Menschen nicht sicher fühlen.

Eine hohe Helmnutzung sollte kein Ziel sein, sie zeigt eher das Versagen der Politik, eine peinliche Statistik. Eine hohe Helmquote zeigt, dass die Regierung mit ihrer Aufgabe, sichere Straßen bereitzustellen, kläglich gescheitert ist.

Die echte Lösung ist bessere Infrastruktur. Die Politik muss in Fahrradinfrastruktur investieren, mit der sich alle Menschen wohlfühlen und sich jederzeit zutrauen, Fahrrad zu fahren, ohne Schwierigkeiten oder Angst. Mit Kampagnen für Fahrradhelme stiehlt sich die Regierung nur aus der Verantwortung.

An Hauptverkehrsstraßen brauchen wir breite, ebene Radwege, mit guten Sichtbeziehungen an Kreuzungen, die auf höchste Sicherheit hin optimiert sind (nicht die schmalen, holprigen Radwege mit gefährlichen, schlecht geplanten Kreuzungen wie sie bislang oft in Deutschland üblich sind).

Glatt, breit, klar definierte Niederländisch Radweg. Eine Frau mit dem Fahrrad verbraucht weniger als 1/3 der Breite.

Eben, breit, klar definiert: ein niederländischer Radweg. Vielfach bewährte Sicherheit.

In Wohnstraßen brauchen wir Filterung, damit eine Nutzung als Schleichweg für Kraftfahrzeuge unmöglich ist, aber Anwohner und Besucher noch Zufahrt haben.

Poller in einem Straße in London, verhindern Kraftfahrzeuge, aber Fahrräder durchlassen.

Verkehrsmittelfilterung, die einen Schleichweg in eine ruhige Straße verwandelt. (Foto: CEoGB)

Langfristige Stadtplanung sollte darauf zielen, die Wege von Fahrrädern und Kraftfahrzeugen zu entwirren und beide Verkehrsmittel möglichst zu trennen. Der Radverkehr sollte dabei hohe Priorität genießen bei Verkehrsplanern und Stadtverwaltung. Denn wenn die Voraussetzungen stimmen, ist das Fahrrad für viele Menschen die einfachste und naheliegendste Möglichkeit, durch die Stadt zu kommen.

Aber für die Regierung ist Helmförderung ein leichter Weg, die Haftung für die Sicherheit auf das Volk abzuschieben. Dann heißt es: „Wenn Sie bei einem Unfall verletzt werden, haben Sie es sich selbst zuzuschreiben“ – anstatt Verantwortung zu übernehmen für schlecht gestaltete Straßen.


Literaturhinweise

Auf Englisch:

  1. Jeder radelt in den Niederlanden!
  2. 0.5 prozent Helmquote in NL, sind wahrscheinlich Sportler/innen
  3. Niederländisch Radfahrer über Helme sprechen
  4. Blogposts über „Transportarten entwirren“ – 1, 2, 3

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