Nachhaltige Sicherheit

Dieser Artikel wurde von David Hembrow verfasst und erschien ursprünglich in seinem englischsprachigen Blog „A View from the Cycle Path“ im Januar 2010.

Übersetzung: Günther Reimers
Redaktionelle Mitarbeit: Daniel Pöhler

Das Niederländische Konzept des „Duurzam Veilig“, nachhaltige Sicherheit, hat die Niederlande zu einem der sichersten Länder der Welt im Straßenverkehr gemacht.

Das Programm des „Duurzam Veilig“ senkte die Zahl der Verkehrstoten in den Niederlanden zehn Jahre lang, zwischen 1998 und 2007, um je 5 Prozent. Insgesamt gab es zwischen 300 und 400 Verkehrstote weniger, eine mehr als 30-prozentige Verbesserung der Sicherheit des ohnehin, relativ gesehen, sicheren Niederländischen Straßennetzes.

Anzahl der Verkehrstoten, 1996–2011. Ein klarer Abwärtstrend bei der Zahl der Verkehrstoten.

Anzahl der Verkehrstoten, 1996–2011. Ein klarer Abwärtstrend bei der Zahl der Verkehrstoten.

Was also ist „Duurzam Veilig“ und was bedeutet das? Zum besseren Verständnis fange ich einmal mit dem an, was es nicht ist.

Oft hört man in Deutschland Rufe nach besserer Fahrschulausbildung, nach mehr Verkehrserziehung auch für Radfahrer. Fußgänger und Radfahrer werden aufgefordert, zugunsten ihrer Sicherheit helle Kleidung zu tragen und ganz allgemein selbst mehr Verantwortung dafür zu tragen, nicht von einem Auto angefahren zu werden.

Das ist keine nachhaltige Sicherheit. Nachhaltige Sicherheit bedeutet nicht, Leute dafür zu bestrafen, dass sie Fehler machen, sondern dafür zu sorgen, dass schwerwiegende Fehler nicht passieren können.

Ein möglichst hohes Niveau der Fahrschulausbildung ist selbstverständlich wichtig, da die Kfz-Fahrer diejenigen sind, die auf den Straßen potenziell tödliche physische Kräfte handhaben. Wenn die Gestaltung der Straßen und die vorgesehene Straßennutzung jedoch selbst schon Konflikte heraufbeschwören, ist es unmöglich, Fehler und Frustrationen ganz abzubauen – was sogar zu gewalttätigem Verhalten führen kann. Darüber hinaus sind Verkehrsteilnehmer auch einmal müde oder erschöpft, oft auch abgelenkt. Davor kann auch eine bessere Ausbildung niemanden schützen, diese Dinge gehören einfach zum Menschsein.

Über 3000 Verkehrstoten in 1972. Ca. 5000 Verkehrstoten in 2013.

Zahl der Verkehrstoten in den Niederlanden, 1972/2013 – rot: Kinder, blau: Erwachsene. Die Sicherheit auf den niederländischen Straßen hat dramatisch zugenommen. Die Zahl der toten Kinder ist um 98 Prozent gefallen, 2013 starben nur noch 9 Kinder auf niederländischen Straßen.

Die Niederländer haben die Zahl der Konflikte zwischen den Straßennutzern reduziert und die Sterblichkeitsrate bei denjenigen Unfällen gesenkt, die nicht zu vermeiden waren. Dazu hat man die Verkehrsinfrastruktur geändert, mit dem Ziel, die verletzlichen Verkehrsteilnehmer von der tödlichen Energie von Kraftfahrzeugen fernzuhalten.

Außerdem wurde die Gestaltung der Kreuzungen und Einmündungen geändert, so dass sich die Wege der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer nicht bei höheren Geschwindigkeiten kreuzen können. Hinzu kamen einige Änderungen in den Verkehrsgesetzen sowie in der Führerscheinausbildung (Fahren unter Alkohol, Pausen bei längeren Fahrten, …)

Eine sinnvolle Maßnahme sind Geschwindigkeitsbegrenzungen sowohl in der Stadt als auch auf Landstraßen (zu beachten ist jedoch, dass das bloße Aufstellen von Schildern keinesfalls ausreicht). Von insgesamt 120.000 Kilometern Straße in den Niederlanden wurden auf 41.000 Kilometern die Tempolimits von 50 auf 30 km/h reduziert, und auf über 33.000 Kilometern wurde die Geschwindigkeit von 80 auf 60 km/h reduziert.

Aus dem Artikel: „Aktuell unterliegen 70% aller 30 km/h Quartiers-Verbindungsstraßen Geschwindigkeitsbegrenzungen an Einmündungen und/oder auf Streckenabschnitten, ebenso wie 45% aller 60 km/h Straßen.“ Durch Tempo 30 wurden laut Schätzungen 51 bis 77 tödliche Verkehrsunfälle verhindert, weitere 60 durch die 60-km/h-Landstraßen.

An vielen 30-km/h-Straßen wurden Maßnahmen ergriffen, um den Kfz-Verkehr außen vor zu halten.

Leuten radeln auf einem Radweg, die weit entfernt von jede Fahrbahn ist

Radwege mit genügend Abstand zum motorisierten Verkehr lassen Konflikte und Gefahr erst gar nicht aufkommen.

Ebenso wird der Anlage von Kreisverkehren 11 gerettete Leben zugesprochen. Straßennutzungs-Design geht jedoch weit darüber hinaus.

Ampelgesicherte Knotenpunkte in den Niederlanden funktionieren anders als vergleichbare Knotenpunkte in Deutschland. In den meisten Fällen hat der motorisierte Verkehr, der bei Grün fährt, keine Möglichkeit, andere Verkehrsteilnehmer auch nur störend zu beeinflussen, die ebenfalls bei Grün, jedoch in eine andere Richtung fahren. Als Beispiel sei die Beseitigung des Konfliktes geradeausfahrende Radler versus rechtsabbiegende Kfz durch Knotenpunkt-Design genannt. Darüber hinaus können Radler viele Ampelanlagen meiden und damit auch die vielen Gefahren, die solche Kreuzungen verursachen.

All diese Maßnahmen haben sich gesellschaftlich als kosteneffizient erwiesen, den eingesetzten Mitteln steht ein vierfach höherer Nutzen gegenüber. Ein Leitmotiv der niederländischen Verkehrspolitik und im Besonderen der Radverkehrspolitik besagt, dass betreffende Maßnahmen nicht als Kosten, sondern als Vorteil gesehen werden. Die Niederlande sind eine wohlhabende Nation. Der Wohlstand rührt zum Teil aus dem vernünftigen Straßendesign.

Natürlich könnte man sich damit zufriedengeben, die sichersten Straßen der Welt zu haben. Um jedoch Menschen vom Radfahren zu überzeugen, braucht man subjektive Sicherheit. Die Leute müssen sich sicher genug fühlen, damit sie selbst und auch ihre Kinder Rad fahren wollen.

Dem wurde mit einer Reihe von Maßnahmen entsprochen und erfreulicherweise führten genau die Maßnahmen, die die reale Sicherheit und die nachhaltige Sicherheit verbesserten, auch zu einer Erhöhung der subjektiven Sicherheit.

Das Ergebnis ist der höchste Radverkehrsanteil der Welt, mit einem sehr hohen Anteil in allen Bevölkerungsschichten.


Literaturhinweise

Auf Deutsch:

  1. Die drei Arten der Sicherheit

Auf Englisch, aus „A View from the Cycle Path“:

  1. Der sichersten Länder der Welt im Straßenverkehr
  2. Absenken der Geschwindigkeitsbegrenzung ist nicht genug

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